"Politik ist nicht planbar"

Frankfurts jüngster Ortsbeirat Mirko Trutin wurde von der Schülerzeitung des Heinrich-von-Gagern Gymnasiums \"heinrich\" interviewt

 

Er ist der jüngste gewählte Politiker Frankfurts. Bei den Kommunalwahlen 2011 zog Mirko Trutin (CDU) in den Ortsbeirat 3 ein. Er ist stellvertretender Vorsitzender der CDU Nordend, 2. Vorsitzender der CDU-Fraktion in seinem Ortsbeirat und Geschäftsführer der Jungen Union Frankfurt am Main. Der 20 Jahre alte Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes, der 2009 für 8 Monate in Australien lebte, studiert Psychologie und lebt in Frankfurt am Main.

heinrich sprach mit ihm über Jugendliche in Seniorenparteien, frühe Erfolge in der Politik und Kampfkandidaturen gegen Freunde. 

 
Ortsbeirat Mirko TrutinOrtsbeirat Mirko Trutin

 

Lüderwaldt: Bei jungen Leuten in der Politik hört man oft das Vorurteil, diejenigen würden es nur den Erwartungen der Eltern zuliebe machen. Bei Dir war das nicht so.

Wieso hast Du dich für den Eintritt in eine Partei entschieden?

Trutin: Mich stört das Unpolitische unserer Generation. Sich nur zu beschweren hilft nicht. Und dann darf man Politik nicht den Träumern überlassen. Es ist mir ein inneres Bedürfnis, auch Menschen in un- serem Alter politisch zu vertreten. Und in der Tat hatte ich die freie Wahl, in welcher Partei ich das tue. Denn meine Eltern sind in keiner Partei und auch noch Wechselwähler, die sich politisch nicht ein- deutig festlegen.

L: Du hast Dich eindeutig festgelegt und zwar auf die CDU. Warum gerade diese Partei, die viele als Senioren- Partei im Kopf haben?

T: Das lag sicherlich auch daran, dass nach meinem Geschmack heutzutage zu viele junge Leute dem Mainstream folgen, ohne wirklich darüber nachzudenken. Viele sind einfach links, weil die Leute um sie herum auch links sind. Aus meiner Sicht macht meine Partei vernünftige und unideologische Politik. Und auch vom Menschenbild her ist für mich klar: Nicht jeder Mensch ist von Grund auf gut – es müssen Regeln gesetzt werden, damit Gemeinschaft funktioniert.

L: Auch eine Partei hat ihre eigenen Regeln, nach denen sie funktioniert. Auf welche Probleme bist Du gestoßen, als ein so junger Mensch in der Politik?

T: So viele Probleme hatte ich interessanterweise gar nicht. Ich hatte vorher mit mehr Schwierigkeiten gerechnet. Denn natürlich muss man erst einmal An- schluss finden, schließlich gibt es wenige sehr junge Menschen im politischen Geschäft, die viel Ahnung haben. Mein privater Freundeskreis ist auch komplett apolitisch. Zum Glück haben die Älteren in der Partei mich aber offen aufgenommen. Denn auf die anfängliche Skepsis gegenüber Jüngeren in den Parteien folgt oft ein ernsthaftes Interesse, sie in die Arbeit ein- zubinden. So war das auch bei mir.

L: Du hattest viele Personen, die Dir bisher geholfen haben. Dennoch: Jeder kennt die Aussage, dass es in der Politik keine wahren Freundschaften gebe. Ist das so?

T: Das sehen tatsächlich viele so. Meiner Meinung nach ist es aber definitiv falsch. Schließlich gibt es ja am Anfang Ebenen in der Politik, die noch nicht so entscheidend sind. Da bilden sich in den Jugendorga- nisationen Freundschaften, die lange halten können. Auch in Zukunft wäre ich Freunden, die gegen mich kampf-kandidieren, nicht böse. Ich würde folgendes Kriterium wählen: Der Bessere soll für einen Posten antreten.

L: Bisher musstest Du noch gegen keinen Freund antreten, durchgesetzt hast Du Dich aber durchaus schon öfters. Wie lassen sich Deine bisherigen Erfolge in der Kommunalpolitik erklären? 


T: Das lag klar an der Förderung in dem Stadtteilver- band meiner Partei. Ich konnte letztes Jahr auch nur in den Ortsbeirat einziehen, weil ich bei der Listenwahl einen guten Platz bekommen hatte. Vieles in der Politik ist eben Zufall. Denn würde ich in einem anderen Stadtteil wohnen, in dem junge Leute weni- ger gefördert würden, sähe meine Position wohl ganz anders aus. In Parteien gibt es klare Strukturen, die man nur sehr langsam kennenlernt – das ist in etwa wie bei Familien. Von daher habe ich Glück, schon so früh die entscheidenden Prozesskenntnisse erlangt zu haben.

L: Gibt es Momente, in denen Dir Dein Engagement zu viel wird?

T: Die gibt es zum Glück eher selten. Ich würde schätzen, dass ich von 30 Tagen in einem Monat etwa an 12 Tagen einen politischen Termin habe. An diesen Tagen sind es dann wiederum 2-3 Stunden, die ich aufwende. Ich habe mir schon früh die Regel gesetzt, nur zu Veranstaltungen zu gehen, die mich entweder interessieren oder die mich voranbringen. Bloße Anwesenheit ist für mich noch kein Kriterium, zu einem Treffen zu gehen- da zu sein um des Daseins willen macht höchstens in Wahlkämpfen Sinn. Ich fühle mich alles in allem nicht gestresst.

L: Das hört sich bei Dir alles gar nicht so aufwendig an. Weshalb gehen trotzdem so wenige Jugendliche in die Politik?

T: Ich denke, dass viele die Masse an Wissen abschreckt, die man sich im
Rahmen dieses Engagements früher oder später aneignen muss. Viele parteiinterne Prozesse sind verkrustet. Einige sind verbittert, wie langsam Prozesse ablaufen. Doch hier sage ich ganz klar: So ist Demokratie eben und
das ist auch gut so. Doch diese Langsamkeit überfordert unsere schnelle Generation. In anderen Berufen kann man schneller Karriere machen. Auch gibt es in der Politik großen öffentlichen Druck. Davor fürchte ich mich allerdings nicht – solange ich mir selbst treu bin und auf Einwände eingehe, werde ich keine größeren Probleme bekommen.

L: Willst Du sicher in der Politik Karriere machen? Schließlich studierst Du auch noch Psychologie.

T: Schön wäre es natürlich. Doch es wäre absurd, mich jetzt schon darauf festzulegen. Politik ist nicht planbar, ein ordentliches Studium hingegen schon. Ich würde jederzeit einen Termin bei meiner Partei absagen, wenn ich etwas für mein Studium bzw. für das damit zusammenhängende Stipendium der Stu- dienstiftung erledigen müsste. Ich achte auch darauf, nicht nur Politik als Lebensinhalt zu haben. Mindestens einmal die Woche gehe ich feiern und genieße auch meine Freizeit. Jugendliche, die behaupten, das nicht tun zu können, haben eben ein Problem mit ihrem Zeitmanagement. Überforderung ist oft Einbildungssache. Aber klar: Wenn sich irgendwann die Gelegenheit bietet, könnte ich mir auch einen hauptamtlichen Posten in der Politik vorstellen.

L: Wo siehst Du Deine Partei in Deutschland in etwa 10 Jahren?

T: Die CDU wird es immer geben, aber sie wird wohl aufgrund der vielen Senioren kleiner werden. Aber ich glaube auch daran, dass sich meine Partei neu erfinden muss und wird. Generell wird das gesellschaftliche und politische Engagement immer seltener werden, wodurch es weniger, dafür aber besser bezahlte Posten in der Politik geben wird. Ich vermute auch, dass die Wahlbeteiligung noch geringer werden wird. Quereinsteiger werden es immer schwerer haben in der Politik, da Netzwerke meist wichtiger sind als Leistung. Hier gilt aber, dass natürliche Kontaktsysteme, die auf Freundschaften basieren, erfolgreicher sein werden als Zweckbündnisse für Erfolgspläne. Und eines darf nicht unerwähnt bleiben: Die Piraten werden ihren jetzigen Platz als Erfolgspartei nicht halten können.

L: Und wo genau wird Dein Platz sein?

T: Am meisten interessieren mich die Kommunalpolitik und die Bundespolitik. Landespolitik und Europapolitik sind den beiden genannten Feldern für mich persönlich nachrangig. Die Politikfelder, für die ich mich am meisten interessiere, sind Internet, Medien, Soziales und Sport. Eher weniger interessieren mich Umwelt, Verkehr und Sicherheit. Aber wie gesagt: Einen genauen Posten werde ich mir hier nicht wünschen. Es gibt nichts Unklügeres in der Politik, als in der Öffentlichkeit politische Ambitionen herumzuposaunen, von denen keiner weiß, ob sie realistisch sind. Das würde einen Politiker oder jemanden, der es werden will, in meinen Augen bereits disqualifizieren. Generell sind geradlinige Karrieren wie die von Innenminister Rhein oder Herrn zu Guttenberg nicht per se etwas Gutes – man braucht auch Erfahrung im echten Leben, um später die Menschen verstehen zu können. 

 

Zum Autor: Maximilian Lüderwaldt schreibt regelmäßig für Spiegel Online und andere namenhafte Zeitungen. Für die Schülerzeitung seiner Schule interviewt er regelmäßig junge Menschen aus Sport, Medien und Gesellschaft, die eine besondere Aufgabe übernommen haben.